Das Surfer-Städtchen Pichilemu hat außerhalb der Saison nicht viel zu bieten. All die „atemberaubenden“ Touristenattraktionen wie Minigolf, Gokart-Bahn, Canopy und sogar 90% der Andenkenbuden sind geschlossen.
Dafür haben wir das Dorf fast für uns allein, können direkt an der Lagune parken ohne jemanden zu stören
und spazieren durch die Sträßchen. Das ehemalige Casino (das älteste in ganz Chile)
und der angrenzende Park zeugen noch von der „guten alten Zeit“, in der nicht Surfer aus aller Welt, sondern die Adeligen aus Santiago hierher zur Sommerfrische kamen.
An der Mündung des Rio Rapél in den Pazifik
liegt das Fischerdorf La Boca und die vorgelagerte Landzunge Punta Perro. Hier wollten wir ein paar Tage verbringen, aber die heftigen Regenfälle der letzten Wochen haben in Verbindung mit zu viel Verkehr das Sträßchen auf die Halbinsel restlos ruiniert so daß wir nach 2 Kilometern aufgeben und froh sind überhaupt wenden zu können. Diese Piste rückwärts hätte nun wirklich keinen Spaß gemacht.
Auf dem Weg nach Matanzas, einem „Up Scale Surfing Village“, so steht es in unserem englischsprachigen travelguide, führt die Küstenstraße oberhalb einiger Traumstrände vorbei,
die alle nur zu Fuß zu erreichen sind. So ein Jammer!
Wir verlassen nun leider die Einsamkeit der kleinen Fischerdörfer und nähern uns unweigerlich immer mehr dem Ballungsgebiet Santiago – Valparaiso.
Die Küstenorte werden schicker und mondäner und bei den Apartmentanlagen wird geprotzt und nicht gekleckert. Den Vogel schießt hier ohne Frage die riesige Feriensiedlung San Alfonso del Mar in Algarrobo ab, die stolz damit wirbt, den größten Pool der Welt zu besitzen.
Bei einer Länge von mehr als einem Kilometer ist das durchaus glaubwürdig. Alles wirkt schick und gepflegt, was sich allerdings auch im Kaufpreis eines Apartments dieser Anlage widerspiegelt.
Nur widerwillig verzichten wir auf den Erwerb eines uns angemessen erscheinenden Alterswohnsitzes. Auch in direkter Nachbarschaft gefällt uns entweder die Architektur
oder der fehlende Zugang zum Strand nicht
und so bleiben wir ohne Domizil, dafür aber weiterhin mobil :-).
Nicht weit von Algarrobo hatte der chilenische Literaturnobelpreisträger Pablo Neruda (Kunstbanausen die wir sind, hatten wir von diesem Dichter natürlich vorher noch nie etwas gehört) sein Strandhaus, heute ein Museum. Regula und Jörg, die wir zufällig getroffen haben, schwärmten aber so von diesem Gebäude, daß wir neugierig geworden sind.
Wir finden den ebenfalls von den beiden empfohlenen Stellplatz in der Nähe und bleiben dort mehrere Tage.
Erst ist Wochenende, Museum sicher zu voll, dann Montag, heute sicher geschlossen. So haben wir viel Zeit, Möwen, Kormorane, Wildgänse und natürlich auch unsere liebgewordene „Mexican Airforce“
aus nächster Nähe und quasi Auge in Auge zu beobachten. Der Sonnenuntergang ist einmal mehr spektakulär und dann noch von dieser erhöhten Warte aus …!
An den Klippen gibt es viele Möglichkeiten kleinere Wanderungen oder besser längere Spaziergänge zu unternehmen. Ab und an stolpert man dabei auch schon einmal über eine ganze Familie (See)hunde.
Am Dienstag besuchen wir endlich das Pablo Neruda Haus. Es ist super hergerichtet und jeder Besucher bekommt ein Telefonhörer-ähnliches Gerät und kann so alle Erklärungen in eigener Sprache hören und muß sich keiner Führung anschließen.
Am Ende der Rundgangs sind wir glücklich in Algarrobo kein Apartment gekauft zu haben, wir nehmen das hier!
Oder vielleicht doch dieses?:
Wir denken noch: Besser kann so ein Häuschen ja gar nicht gelegen sein, da wird das Wetter plötzlich schlechter und wir sind im Erdbebengebiet, Tina kommt ins Grübeln.
In Quintay, die Straße endet hier nach einem herzstillstanderzeugenden Gefälle direkt am Strand lässt uns der zuständige Parkplatzwächter zu einem Sonderpreis auf einem unbenutzten Privatgelände stehen. Wie die Könige thronen wir über dem breiten Sandstreifen und genießen 2 Tage Badeurlaub, nur ohne baden :-). Eben Weicheier!
Dafür gibt es im kleinen Fischereihafen von Quintay eine Empanada-Bude die, weil Pfingsten ist, sogar geöffnet hat.
Oh weh, hab´ ich schon einmal das Wörtchen „Diät“ erwähnt?
Der letzte Ort am Meer: La Laguna. Es ist der 19. Mai. Exakt heute vor 6 Jahren haben wir MANni im Hafen von Halifax in Kanada in Empfang genommen und unseren Trip begonnen. Das muß natürlich zelebriert werden und guten Cava wissen die Chilenos herzustellen!
Eine letzte Strandwanderung mit ungeheuer vielen „Tide pools“ das sind meerwassergefüllte Miniaturtümpel die bei Ebbe entstehen und in denen oft das maritime Leben nur so überquillt. Krabben, kleine Fische, Seesterne, Einsiedlerkrebse, Seeanemonen, Muscheln und Schnecken. Für uns spannender als Fernsehen!
Noch ein Sonnenuntergang, heute ganz in pink
und wir verabschieden uns endgültig vom stillen Ozean. Jetzt möchten wir über die Anden zurück nach Argentinien und werden nicht noch einmal nach Chile zurückkehren.
Ein Besuch der Brauerei Tauss in Limache muß aber noch sein.
Bei Doppelbock und Weizen,
bei Haxn` und Leberkäs`
sagen Tina und ich Chile adieu. Die Wettervorhersage ist gut, der Pass „ Los Libertadores“ geöffnet, was in den letzten Wochen oft anders war, also gehen wir es an. Leider hat die Polizei nach nur wenigen Kilometern die Anfahrt gesperrt. In Kurve 29 soll es einen massiven Steinschlag gegeben haben. Aha, wie viele Kurven gibt es denn dort?
Eine Stunde später dürfen wir los. Zuerst die PKW, dann MANni und hinter uns an die 300 LKW die zum großen Teil leer sind und damit viel schneller als wir. Aber dank Kurve 29 wissen die Brummifahrer ja daß vorerst kein Gegenverkehr kommen kann und so wird die Strecke kurzerhand zur Einbahnstraße erklärt und 2 spurig gefahren.
Erst viel später, wir sind jetzt auf ca. 1800m Höhe, kommen die Serpentinen in Sicht. Durch die vielen LKW vor uns ein wirklich beeindruckendes Bild.
Bei einem Blick auf unser Navi wird meiner Beifahrerin schon leicht schwindelig.
Auf halber Strecke hat man freie Sicht hinunter auf die schon geschafften 19 Kurven bevor es zum Endspurt in die letzten 10 Spitzkehren geht.
Dann kommt die Steinschlagstelle in Sicht. Oh Gott, bitte beachtet das Loch in der linken Mauer und den riesigen Brocken rechts.
Ein beruhigendes Gefühl dieses Steilstück hinter uns zu haben. Ein Blick zurück erinnert mich an das Spielzeugparkhaus welches ich als Kind besessen habe, nur daß dort die Autos immer alle bergab rollten.
Wir verlassen Chile,
zockeln durch Winterlandschaft hinauf auf 3100m,
dann wird es dunkel. Wir fahren in den etwa 3km langen Tunnel
und kommen bei Sonnenschein in Argentinien wieder heraus.
Mehr oder weniger parallel zur alten Bahnstrecke rollen wir entspannt bergab,
erledigen Aus-und Einreise in Rekordtempo (max. 10 Minuten insgesamt) und erreichen am späten Nachmittag den Stausee Potrerillos
an dessen Ufer es unzählige toll gelegene Übernachtungsstellen gibt.
Über Mendoza, hier lassen wir unsere Gasflaschen füllen, fahren wir ca. 150km nach Norden zum meistbesuchten Wallfahrtsort Argentiniens, der Platz, an dem der Sage nach die Ehefrau und Mutter Maria Antonia Deolinda Correá verdurstet ist nachdem sie sich auf der Suche nach ihrem Mann in der Wüste verlaufen hatte. Ihr Säugling allerdings überlebte weil er an der Brust der Toten säugte bis 2 Tage später Maultiertreiber des Weges kamen und ihn retteten.
Tausende kleiner Danksagungsschilder sind überall an den Wänden angeklebt. Gefühlt jeder Argentinier der ein eigenes Häuschen gebaut hat fertigt ein Modell davon und lässt es zum Dank hier.
Für fast alles andere Denkbare wird sich aber auch bedankt. Für den ergatterten Ehemann durch zurücklassen ihres Brautkleides, für den neuen LKW, klar, ein Modell wird aufgestellt, für sportliche Erfolge, die super hässlichen Pokale bleiben selbstverständlich auch gleich vor Ort
oder für das bestandene Examen, eine unzählbare Menge Diplome zieren Wände oder füllen Regale.
Außerdem bittet man durch Aufhängen von Nummernschildern und roten Bändchen um Schutz für das eigene Auto.
Die Difunta Correà (entschlafene Correá) ist eben eine echte Allrounderin. Da interessiert es keinen Argentinier, daß die katholische Kirche von dem Rummel nichts hält und sich weigert, die Tote als Heilige anzuerkennen. Einfach ein Bild vom Papst daneben gehängt, ist ja ein Landsmann, und dann passt das schon.
Die Bändchen sind für wenig Geld praktischer Weise gleich am Eingang in einer der vielen Buden zu erstehen. Auf Wunsch gleich mit Markennamen und Firmenlogo des eigenen Fahrzeugs.
Wir halten nichts von dem ganzen Hokuspokus aber können so viele Menschen irren? Wir kaufen doch lieber auch ein rotes Band und knoten es im Fahrerhaus an! Kann ja nicht schaden :-).
Rund um dieses „Heiligtum“ gibt es eine unüberschaubare Zahl von Picknicktischen, Grillplätzen und Ständen mit brutzelnden Hühnchen und Lämmern.
Für den lateinamerikanischen Gaumen das Schlaraffenland. Uns reicht der Duft und wir wollen, jetzt „Difunta-beschützt“, weiter nach Norden in die Wärme denn es wird Juni und damit Winter. Brrrrh!
Fazit: Ein Monat für alle! Immobilientage für Tina, Achterbahn fahren für mich und rote Bändchen mit eingebautem Schutzfaktor für MANni.